Die Handwerker der Jungsteinzeit waren pfiffiger als gedacht. Sächsische Archäologen haben an einer rund 7000 Jahre alten Brunnenkonstruktion die bisher ältesten Holznägel der Welt gefunden.
«Sie beweisen, dass lange vor dem Mittelalter sogenannte Zapfenschlösser zur Fixierung entwickelt wurden», sagt Grabungsleiter Rengert Elburg vom Landesamt für Archäologie.
Der Niederländer Elburg steht in einer Halle am Stadtrand von Dresden und zeigt auf vier etwa 20 Zentimeter lange dicke Stäbe an den Ecken des Eichenholzkastens. Sie sollten ein Verrutschen der Zapfen verhindern, mit denen die Bohlen am Fundament zu einem Quadrat verbunden sind.
«Die Geschichte muss in diesem Kapitel umgeschrieben werden», sagt der Archäologe. «Unsere Vorfahren verfügten über Kenntnisse und Fertigkeiten, die wir ihnen nicht zugetraut haben.» Die Brunnenanlage war 2005 vor der Erweiterung des Flughafens Leipzig/Halle gefunden worden. «Es war der sechste Brunnen der Bandkeramik in Sachsen.» Von der sieben Meter tiefen Anlage blieben im Grundwasser fast drei Meter unversehrt. «Dadurch kamen weder Sauerstoff noch Bakterien ran», erklärt der 45-Jährige.
Für Haare, Haut, Leder und Horn sei das Sediment zu basisch und kalkhaltig gewesen. «Aber alles andere, was größer ist als einen Millimeter und nicht wasserlöslich, kriegen wir.» Seit Februar 2008 wird in einer Halle des Landesamtes Schicht für Schicht vom Inhalt des Brunnens geborgen, für den das Holz im Winterhalbjahr 5102/5101 v.Chr. gefällt wurde. «Der Jahresring vom Spätholz 5102 war schon da, der von 5101 noch nicht.»
Mit Löffelchen, Spachteln und Bürstchen entlockten zwei Frauen ihm so manches Geheimnis über das Leben im 6. Jahrtausend v.Chr.. Täglich acht Stunden liegt, kniet und hockt Grabungstechnikerin Petra Herold auf einem nur 20 Zentimeter breiten Brett. Mit einem Malermesser aus Plastik sticht sie mit viel Fingerspitzengefühl die dunkle Erde nur millimeterweise ab und wirft sie in einen Eimer. «Es wird alles untersucht», sagt Elburg. Zuletzt filtern Archäobotaniker noch die kleinsten Samen aus. «Das ganze Spektrum von Pflanzen ist vertreten – Weizenarten, Gerste und Mohn, Lein, Erbsen und Linsen.»
Zum Vorschein kamen auch die einzigen unverkohlten Getreideähren der Welt: Ein Zweikorn, Emmer im Fachbegriff und mit zwei Körnern pro Ährengabel, und ein Einkorn. «Wir haben sogar eine Physalis-Frucht gefunden, die in Mitteleuropa nicht beheimatet war.» Am Boden liegt, gut sichtbar, eine Eichel. «Die Hagebutten sahen besser aus als die am Strauch vom letzten Jahr – eine war noch richtig rot», erzählt Elburg.
Der Bergung harrt auch eine Art Stück Stoff. «Eine Tasche aus Rindenbast, vielleicht die einer Dame aus der Herbstkollektion 5080 v.Chr.», scherzt Elburg. Sie wurden meist zum Wasserschöpfen verwendet, aber auch mit eleganten Tragehenkeln versehen.
Dass die Tasche und weitere rund 40 Gefäße und hunderte andere Dinge weggeworfen wurden, glaubt Elburg nicht. Die Fundsituation lasse vielmehr darauf schließen, dass sie deponiert wurden. «Warum, wissen wir aber nicht.» Der Brunnen sei etwa zur Hälfte mit Erde aufgefüllt worden. Unklar ist, wie lange die Anlage in Gebrauch war. Ein auf 5087 v.Chr. plus-minus zehn Jahre datiertes Holzstück spricht für etwa eine Generation, sagt Elburg.
«Sachsens kleinste Ausgrabung» läuft noch bis Juni, danach sollen der Brunnen und die Funde ausgestellt werden.